Die letzten Jahre wurden von Krisen wie Krieg, Armut, Naturkatastrophen und dem menschengemachten Klimawandel geprägt. Die COVID-19-Pandemie hat einige dieser Entwicklungen noch verschärft und nationalistische und populistische Tendenzen in vielen Staaten verstärkt. Die internationale Zusammenarbeit und die Stärkung der internationalen Ordnung sind daher von entscheidender Bedeutung, um gemeinsam gegen globale Herausforderungen wie den Klimawandel, die Sicherung von Frieden und Stabilität sowie den Schutz der Menschenrechte anzugehen. Es ist wichtig, die Ursachen von Krisen und Konflikten zu bekämpfen und sich für eine gerechtere Weltordnung einzusetzen, was die Unterstützung von Entwicklungsländern einschließt. Nur durch eine kooperative Zusammenarbeit und eine Stärkung der internationalen Ordnung können wir gemeinsam eine friedlichere und sicherere Welt für alle schaffen.
Die Weltordnung wandelt sich zu einer multipolaren Ordnung mit den USA und China als vermutlichen Hauptpolen. Die Sicherheit kann nur durch regelbasierte und pragmatische Kooperation gewährleistet werden. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine verursacht immense Schäden und verändert die europäische und globale Sicherheitsordnung grundlegend und langfristig. EU und NATO sehen in der Absicht Russlands, durch die Unterwerfung souveräner Staaten eine weitreichende Macht- und Einflusssphäre zu schaffen, existenzielle Bedrohungen ihrer Freiheit und territorialen Unversehrtheit. Der klassische Eroberungskrieg ist zurückgekehrt und eine nukleare Eskalation ist möglich. Eine baldige Rückkehr zu normalisierten Beziehungen zwischen der (westlichen) Staatengemeinschaft und Russland nach einem Waffenstillstand erscheint als kaum realistisch.
Russlands Handlungen beschleunigen und verstärken die Trends in der Weltpolitik, die einen Übergang von der globalen Dominanz der USA zu einer multipolaren Ordnung prägen. Dieser Übergang wird von einem Großmächtekonflikt zwischen den USA und China und einer Trennungslinie zwischen freiheitlichen Demokratien und autokratischen Staatsformen geprägt. Zusätzlich treten weitere Akteure auf die Bühne mit eigenen globalen oder regionalen Ambitionen.
Nationalistische und populistische Tendenzen verstärken sich weltweit und erschweren internationale Kooperationen. Der Niedergang des Multilateralismus ist zu beobachten, was die Risiken für die bestehenden Wirtschafts- und Sozialsysteme verstärkt und zu Abschottung und Protektionismus führen kann. Der US-amerikanisch-chinesische Konflikt zeigt mögliche Entwicklungen hin zu einer fragmentierten, in neue Lager bzw. Machtblöcke aufgeteilten Weltordnung. Rüstungskontrolle und Abrüstung weichen zunehmenden Modernisierungen und Aufstockungen von Waffenarsenalen.
Die Globalisierung hat die Welt zu einem globalen Dorf gemacht, was bedeutet, dass internationale Risiken und Gefahren zunehmen und überwinden werden müssen, erfordert Zusammenarbeit. Beispiele hierfür sind der Krieg in der Ukraine, der zu Nahrungsmittelknappheit und Hungerkrisen in Afrika und Asien führt, Umweltzerstörung, die zu Flucht- und Migrationsbewegungen führt, und die Coronavirus-Pandemie, die gezeigt hat, wie eng die Kontrolle der Krankheit auf internationaler Ebene abgestimmt werden muss. Es bedarf einer nachhaltigen Entwicklung entlang der 2015 von den VN verabschiedeten SDGs, um menschenwürdige Lebensbedingungen und menschliche Sicherheit zu gewährleisten. Die Staatengemeinschaft ist jedoch derzeit nur begrenzt bereit, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen.
Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine wird in der kurzen und mittleren Sicht die weitere Herausbildung politischer Lager das wahrscheinlichste Szenario sein. Die NATO benennt Russland als größte Bedrohung und plant den Ausbau militärischer Kräfte und die Erhöhung der Verteidigungsbudgets. Die Arbeit an einer neuen Weltordnung darf sich jedoch nicht nur auf den Ausbau von Grenzen und Gräben beschränken. Eine rules-based international order muss auch andere Mächte einbeziehen und die westlichen Staaten müssen selbst wieder Kooperationsangebote an die Staatenwelt aussenden und gegen Regelbrecher wie Russland entschlossen auftreten. Eine Zusammenarbeit mit China in Feldern von gemeinsamen Interesse sollte keine Tabu sein. Die fundamentalen Regeln einer künftigen multipolaren Weltordnung sollten willkürliche Kriege ausschließen und die Bewahrung von Weltgütern und einen Welthandel zu fairen Bedingungen sichern.
Eine Studie der NGO Oxfam aus Anfang 2022 zeigt, dass während der Corona-Pandemie die reichsten Milliardäre der Welt ihr Gesamtvermögen verdoppelten, während etwa 160 Millionen Menschen durch die Pandemie in die Armut gestürzt wurden. Armut hat vielfältige Gründe und Folgen wie Unterernährung, Regierungsversagen, Korruption und Menschenrechtsverletzungen. Armut stellt eine eigene Dimension der menschlichen Sicherheit dar und hat auch einen direkten Zusammenhang mit der Entstehung von Konflikten. Eine mögliche Reaktion auf Armut ist die Migration in wohlhabende Länder, die aber auch Herausforderungen für die Aufnahmeländer mit sich bringt. Irreguläre Migration aus Afrika und dem Nahen Osten ist in den letzten Jahren stark angestiegen und könnte auch Auswirkungen auf verschiedene Sicherheitsdimensionen haben.
Relative Armut beschreibt die Situation von Personen am unteren Ende des Wohlstandsniveaus in reichen Ländern, während absolute Armut einen Mangel an grundlegenden Gütern wie Nahrung, Bildung und Kleidung beschreibt. Die Weltbank definiert absolute Armut als weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag und schätzt, dass 689 Millionen Menschen 2017 in extremer Armut lebten. Die absolute Armut hat zwischen 1990 und 2015 weltweit abgenommen, jedoch variiert die Situation von Region zu Region. Afrika südlich der Sahara hat den höchsten Anteil an absolut Armen an der Gesamtbevölkerung.
Die Staaten haben sich das Ziel gesetzt, die Armut in all ihren Dimensionen zu bekämpfen. Die Sustainable Development Goals (SDGs), unterzeichnet von den 193 Mitgliedstaaten der VN im Jahr 2015, sind das zentrale Schlüsseldokument im Kampf gegen weltweite Armut. In fast allen Kontinenten wurden im Jahr 2020 Fortschritte bei der Umsetzung der 17 Ziele verzeichnet. Allerdings stagniert die Bekämpfung von Armut und Hunger (Ziele 1 und 2) in allen Kontinenten, insbesondere in Subsahara-Afrika und Ozeanien, während es für die Regionen Naher Osten und Nordafrika keine Daten gibt.
Die Diskussion über Armut hat sich in den letzten Jahren erweitert, um sowohl strukturelle als auch Verhaltensfaktoren einzubeziehen. Strukturelle Ursachen für Armut sind historisch bedingte Nord-Süd-Beziehungen sowie die negativen Auswirkungen des Klimawandels, einschließlich extremer Wetterereignisse, Nahrungsmittelkrisen und dem Anstieg des Meeresspiegels. Es gibt komplexe Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Migration und gewaltsamen Konflikten auf der einen Seite und Armut auf der anderen Seite. Allerdings ist der Klimawandel nicht die einzige Ursache für Armut, Konflikte und Migration, sondern es gibt auch weitere Faktoren wie ethnische und religiöse Konflikte, strukturelle Armut und die Effizienz von Regierungen und Gesellschaften. Besonders schwierig ist die Lage in fragilen oder kollabierten Staaten. Das UN-Umweltprogramm geht davon aus, dass es einen Zusammenhang zwischen Klimawandel und politischer sowie ökonomischer Fragilität von Staaten gibt. Migration ist auch von anderen Faktoren wie Grenzbefestigungen, Transportwegen und kriminellen Schleuserorganisationen abhängig.
Flucht und Migration sind Wege, um Armut, Gewalt, Unterdrückung und Umweltkatastrophen zu entkommen. Es gibt legale und illegale Migration, sowie nationale und internationale Migration. Über 270 Millionen Menschen lebten 2020 in einem fremden Land, was etwa 3,5 Prozent der Weltbevölkerung entspricht. Push-Faktoren wie wirtschaftliche Gründe, Klimaveränderungen, Kriege und Bürgerkriege in den Ursprungsländern können zur Migration führen, während Pull-Faktoren wie ein höherer Lebensstandard und Arbeitskräftebedarf in den Zielländern attraktiv sind. Flucht kann jedoch auch zu einem Brain Drain führen, wenn gut ausgebildete und qualifizierte Menschen das Herkunftsland verlassen. Rücküberweisungen von Einkommen an die daheim gebliebenen Familien können jedoch die Entwicklung des Herkunftslandes fördern. Die Weltbank schätzt die weltweiten Rücküberweisungen für 2021 auf 589 Milliarden US-Dollar.
Die Zahl der Geflüchteten weltweit hat stark zugenommen und betrug 2020 laut UNHCR 82,4 Millionen. Die EU verzeichnete zwischen 2015 und 2022 über 1,2 Millionen irreguläre Einreisen, wobei Deutschland die meisten (Erst- und Folge-)Asylanträge in der EU hat. Im Jahr 2021 lebten in Deutschland 1,93 Millionen schutzsuchende Menschen, darunter 215.000 Asylbewerberinnen und -bewerber. Die meisten Asylsuchenden stammen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Obwohl Deutschland in absoluten Zahlen die meisten Geflüchteten aufnimmt, ist es auch das bevölkerungsreichste EU-Land.
Die irreguläre Migration über das Mittelmeer erregt große Aufmerksamkeit in Medien und Politik aufgrund der tragischen Fluchtumstände und der behelfsmäßigen Unterbringung in Lagern, insbesondere auf der griechischen Insel Lesbos. Die Fluchtursachen sind vielfältig und umfassen Bürgerkriege, soziale Ursachen wie Armut und Perspektivlosigkeit sowie politische Instabilität im Nahen Osten und Nordafrika. Die EU versucht, über Vereinbarungen mit nordafrikanischen Staaten die Rückführung von Geflüchteten zu erreichen, ihre Vorgehensweise wird jedoch vermehrt kritisiert.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu einer großen Fluchtbewegung innerhalb Europas geführt, mit etwa 4,8 Millionen Menschen aus der Ukraine, die Zuflucht in Europa gesucht haben. Deutschland hat fast 800.000 dieser Geflüchteten aufgenommen. Die Akzeptanz der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland ist im Vergleich zu Geflüchteten aus außereuropäischen Staaten positiver, auch aufgrund wahrgenommener "kultureller Ähnlichkeiten". Die Coronavirus-Pandemie und die durch den Krieg verstärkte Hungerkrise in einigen Ländern des Globalen Südens könnten zu weiteren Migrationsbewegungen und politischen Krisen führen. Die EU-Staaten versuchen, über Rückführungsabkommen und ökonomische Anreize die Herkunfts- und Transitländer zu effektiven Grenzkontrollen und Abweisungen von Geflüchteten zu bewegen. Es gibt jedoch Kritik an der EU und einigen Mitgliedstaaten aufgrund der Behinderung von Seenotrettungsschiffen und "Pushback"-Praktiken, bei denen Gewalt eingesetzt wurde, um Geflüchtete daran zu hindern, in die EU zu kommen. Es gibt noch keine gemeinsame und abgestimmte Flüchtlingspolitik innerhalb der EU, und die Aufnahme- und Umgangspolitik von Geflüchteten variiert stark zwischen den Mitgliedsländern.
In der EU gibt es politisch kontroverse Diskussionen über irreguläre Migration, die oft von Ängsten vor einem Verlust nationaler Identität und sozialer Konkurrenz geprägt sind. Rechtspopulistische Parteien versuchen, härtere Regelungen durchzusetzen. Seit den islamistischen Terroranschlägen ist auch die Angst vor einer Zunahme terroristischer Aktivitäten durch Migranten hinzugekommen. Dabei werden die ökonomischen Chancen von Migration oft ignoriert. Die verbreitete Angst vor terroristischen Gefahren durch Geflüchtete bezieht sich meist auf seltene Einzelfälle. Die Rolle von ethnisch basierten Netzwerken in der Organisierten Kriminalität verstärkt die Antipathie gegen Immigranten und Geflüchtete.
Die Armut stagniert weltweit, besonders in Subsahara-Afrika und Ozeanien. Die COVID-19-Pandemie und das schwächere Wirtschaftswachstum könnten die Armutsproblematik verschlimmern und zu wachsenden Divergenzen zwischen Gesellschaften, Ländern und Regionen führen. Soziale Ungleichheit, ein verschärfter Klimawandel und gewaltsame Konflikte begünstigen irreguläre Migration. Europa und Deutschland sind Teil aller globalen und regionalen Weltprobleme. Langfristig gesehen sind europäische Gesellschaften auf Migration angewiesen, um die sinkende Zahl Erwerbstätiger aufzufangen, aber es gibt eine Tendenz zur Abschottung in der EU und westlichen Gesellschaften aufgrund politischen Drucks von rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen. Eine gemeinsame EU-Migrationspolitik scheint in naher Zukunft unwahrscheinlich.
Zusammenfassend handelt der Artikel von der Definition und den Auswirkungen hybrider Bedrohungen im Kontext zwischenstaatlicher Beziehungen. Hybride Bedrohungen beziehen sich auf den koordinierten Einsatz verschiedener Machtinstrumente, die auf Verwundbarkeiten im gesamten Spektrum gesellschaftlicher Funktionen eines anderen Staates abzielen, um Unsicherheit oder Instabilität zu verursachen. Die hybride Bedrohung ist eine neuartige Bedrohung, die aus dem kombinierten Einsatz militärischer und nicht militärischer Mittel oder Methoden entsteht. Beispiele für diese Methoden sind Cyberangriffe, Desinformationskampagnen sowie Beeinträchtigungen oder Manipulationen der Informations- und Kommunikationsstruktur. Der Artikel betont, dass hybride Bedrohungen fester Bestandteil nationaler Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind und dass es oft effektiver ist, unterhalb der Gewaltschwelle zu bleiben. Die Einzelmaßnahmen verbleiben in der Regel unterhalb der Schwelle einer verbotenen Gewaltanwendung, Intervention oder sonstigen Verletzung der territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit des Zielstaats, sodass ihre exakte Zurechenbarkeit mit erheblichen Beweisschwierigkeiten verbunden ist.
Hybride Bedrohungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen sind nicht neu, aber die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie hat neue Möglichkeiten eröffnet und die Effizienz hybrider Bedrohungen deutlich erhöht. Der Cyberraum ist allgegenwärtig und ermöglicht es, Falschmeldungen ungeachtet ihres Wahrheitsgehalts und Ursprungs schrankenlos zu verbreiten. Die Anonymität im Cyberraum macht es schwer, den Ursprung von Cyberangriffen zu identifizieren und hybride Bedrohungen einzuordnen. Die Abhängigkeit von der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie hat zu neuen Verwundbarkeiten geführt und die Wirksamkeit hybrider Bedrohungen verstärkt. Cyber-Operationen können sehr wirksam sein und sind darauf gerichtet, Instabilität und Verunsicherung in den Zielstaaten zu erzeugen. Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine haben gezeigt, dass eine schrittweise Verstärkung hybrider Bedrohungen in eine offene Anwendung militärischer Gewalt münden kann.
Zur Bewältigung hybrider Bedrohungen im Cyberraum sind regelbasierte internationale Reaktionen erforderlich, insbesondere durch eine verbesserte Cyberforensik und internationale Zusammenarbeit. Die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von Informations- und Kommunikationstechnologie sowie die Sensibilisierung der Nutzerinnen und Nutzer sind ebenfalls notwendig. Politische Entscheidungsträgerinnen und -träger sollten hybride Bedrohungen eindeutig und entschlossen einordnen, indem Cyberoperationen, die materielle Schäden in der physischen Welt verursachen oder wesentliche staatliche Funktionen beeinträchtigen, als unzulässige Verletzungen der territorialen Integrität oder der Souveränität benannt werden. Dies würde den Zielstaaten ein breites Spektrum an Gegenmaßnahmen eröffnen.
Nach dem Ende des Kalten Krieges schien eine gemeinschaftliche Konfliktbewältigung und Abrüstung greifbar, da die USA als Supermacht weit überlegen waren und die meisten Staaten dem liberalen Modell von Demokratie und Marktwirtschaft nachzueifern schienen. Allerdings ist dieser Traum geplatzt, da Russland, China und der Iran ihre jeweilige Nachbarschaft dominieren wollen und eine US-amerikanische Hegemonie als Bedrohung für ihre Interessen sehen. Der Konflikt mit dem Westen spitzt sich zu und die Chancen für eine kooperative Sicherheitspolitik schwinden. Abschreckung wird statt Abrüstung als Strategie verfolgt.
Zu Beginn des Kalten Krieges rüsteten die USA und die Sowjetunion massiv auf, aber die Rüstungskontrolle in den 1960er-Jahren trug dazu bei, Vertrauen aufzubauen und Krieg zu verhindern. Diese Bemühungen sollten die Abschreckung verlässlicher machen. Ab Mitte der 1980er-Jahre setzte jedoch eine Entspannung ein und die Hoffnung auf einen Verständigungsfrieden wuchs. Der INF-Vertrag und die Charta von Paris waren wichtige Schritte in diese Richtung. Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Diktatur und der institutionellen Zusammenarbeit gab es Optimismus in Bezug auf die Überwindung früherer Feindbilder.
Nach dem Ende des Kalten Krieges gab es eine Zeit der kooperativen Sicherheit, die durch Abkommen wie den KSZE-Vertrag und den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa gekennzeichnet war. Die USA und Russland reduzierten ihre Atomwaffenarsenale und es wurde über eine "Friedensdividende" diskutiert. Seit den 2000er Jahren haben sich jedoch neue Spannungen und Aufrüstungstrends gezeigt. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erhöhten die USA ihre Verteidigungsausgaben und führten Kriege in Afghanistan und im Irak. Russland modernisierte sein Militär und zeigte seine Bereitschaft, seine Interessen mit Gewalt durchzusetzen, wie bei der Annexion der Krim und im Krieg in der Ostukraine. China rüstet ebenfalls massiv auf und nutzt seinen wirtschaftlichen Aufschwung für militärische Stärke. Die USA und China sehen sich mittlerweile als Gegner und die Region rüstet auf, was zu hohen Eskalationsrisiken führt. Die Rüstungskontrolle hat mit der Erosion von vertraglichen Schranken und der Unfähigkeit, Desinformationskampagnen und Cyberattacken zu kontrollieren, Probleme. Der Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 ist ein vorläufiger Höhepunkt der russischen Aggressionspolitik.
Der Atomwaffensperrvertrag sollte die Verbreitung von Atomwaffen verhindern und wurde 1968 von den fünf Atomwaffenstaaten sowie vielen anderen Ländern unterzeichnet. Es gab jedoch Vertragsbrüche, insbesondere Nordkorea nutzte sein Nuklearprogramm als Verhandlungsmasse und trat schließlich aus dem Vertrag aus. Das iranische Atomprogramm war ein wichtiger Test für den Vertrag, und nach vielen Jahren harter Verhandlungen wurde 2015 das Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) geschlossen, um den Iran mit Auflagen und Kontrollmechanismen zu binden. US-Präsident Donald Trump kündigte das Abkommen 2018 jedoch auf, was von einigen als großer Fehler angesehen wurde. Der Versuch, das Abkommen wiederzubeleben, scheiterte bislang aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft des Iran. Die Gewalt gegen Proteste im eigenen Land und die Unterstützung von Russlands Krieg gegen die Ukraine haben die Chancen weiter geschmälert. Ein Ausbruch des Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag könnte dessen Ende besiegeln, während Russlands Angriff auf die Ukraine die Nichtverbreitung schwer beeinträchtigen könnte.
Die Großmächte kämpfen um die Spielregeln der Weltpolitik und es gibt eine Welle der Aufrüstung und Aggression. Frühere Hoffnungen auf Abrüstung und kooperative Sicherheit haben sich bisher nicht erfüllt. Die Beziehung der USA zu Russland und China sind zerrüttet und die wechselseitige Wahrnehmung verhärtet sich. China und Russland setzen auf militärischen Zwang und wollen zentrale Elemente des internationalen Status quo revidieren. Die Abschreckung für das Minimalziel der Kriegsverhinderung ist nicht stabil und die Einhegung von Massenvernichtungswaffen wird schwieriger, je konfliktreicher das Verhältnis zwischen Russland, China und dem Westen ist. Die Aussichten für die internationale Sicherheit sind düster.
Der transnationale Terrorismus hat den internationalen Terrorismus abgelöst und ist seit den Anschlägen vom 11. September 2001 eine große Herausforderung für die internationale Politik. Im Gegensatz zum internationalen Terrorismus, der oft staatliche Unterstützung erhielt, sind transnationale Terroristen meist unabhängig von staatlicher Unterstützung und finanzieren sich durch private Unterstützung oder eigene substaatliche Finanzierungs- und Logistiknetzwerke. Die Übergänge zwischen beiden Formen des Terrorismus sind jedoch fließend und manchmal dulden Staaten sogar die Aktivitäten von Terroristen, wenn ihre Ziele vorübergehend ähnlich sind.
Der sowjetische Afghanistankrieg von 1979 bis 1989 führte zur Transnationalisierung islamistisch motivierter Terroristen in der arabischen Welt. Widerstandsgruppen aus Afghanistan erhielten Unterstützung von den USA, Saudi-Arabien und Pakistan, während arabische Islamisten in die Region kamen, um ihren Glaubensbrüdern beizustehen. Die wichtigsten Denkschulen der "Jihadisten" entstanden - "klassisch-internationalistisch", "nationalistisch" und "neu-internationalistisch". Abdallah Azzam gründete die "klassisch-internationalistische" Schule und propagierte den "Jihad" als individuelle Glaubenspflicht jedes Muslims. Die "nationalistischen" Ägypter strebten nach einer Revolution in ihrem Heimatland, während die "neu-internationalistische" Schule von Osama Bin Laden gegen den "fernen Feind" kämpfte, ohne den "nahen Feind" aus dem Blick zu verlieren. Die US-Präsenz im Nahen Osten nach dem Kuwait-Krieg von 1990/91 führte dazu, dass viele junge Saudis, Kuwaitis und Jemeniten den bewaffneten Kampf gegen die USA aufnahmen.
Al-Qaida ist eine jihadistische Organisation, die in Afghanistan im Jahr 1988 gegründet wurde und später in den 1990er-Jahren eine strukturierte Organisation wurde. Die Idee, terroristische Angriffe auf die USA durchzuführen, um sie aus der islamischen Welt zu vertreiben, stammte von Aiman al-Zawahiri, dem Anführer der ägyptischen Jihad-Gruppe, der sich später mit Bin Laden und seinen Anhängern verbündete. Al-Qaida nutzte die finanzielle Unterstützung reicher Unterstützer aus den arabischen Staaten am Persischen Golf, um ihre Aktivitäten zu finanzieren. Ihre größten Anschläge waren die Attentate auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam im Jahr 1998 sowie die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA. Infolgedessen erklärten die USA den "Krieg gegen den Terrorismus" und stürzten den Staat der Taliban in Afghanistan. Die al-Qaida-Spitze wurde von den USA intensiv verfolgt und zwischen 2009 und 2012 wurden Osama Bin Laden und zahlreiche andere Führer der Organisation getötet. Die Initiative ging dann auf die al-Qaida-Regionalorganisationen über, die sich in verschiedenen Ländern bildeten.
Die transnationalen Terroristen profitierten von den Unruhen und Bürgerkriegen, die auf die Proteste des Arabischen Frühlings folgten, insbesondere in Ländern wie Libyen, Jemen, Syrien, Ägypten und Tunesien. Al-Qaida und andere Organisationen nutzten die Wirren der Konflikte und die Schwäche der arabischen Regime, um ihre Operationsgebiete ab 2011 in diesen Ländern und vielen Nachbargebieten auszuweiten. Die irakische al-Qaida-Regionalorganisation ISI nutzte die Unruhen in Syrien ab 2011, um auch im Nachbarland Strukturen aufzubauen. Die Gruppierung hatte sich 2003 unter der Führung des jordanischen Terroristen Abu Musab al-Zarqawi gebildet und eine eigene jihadistische Strategie entwickelt. Nach April 2013 trat ISIS offen auf und wurde im Januar 2014 schließlich aus dem al-Qaida-Verbund ausgeschlossen. Zwischen 2014 und 2017 gelang es dem IS, einen islamistischen Quasi-Staat zu errichten, der jedoch 2017 im Irak und 2019 in Syrien vernichtend geschlagen wurde. In diesem kurzen Zeitraum gelang es dem IS, zehntausende ausländische Kämpfer aus aller Welt zur Reise in das 2014 ausgerufene Kalifat zu bewegen und eine Welle terroristischer Anschläge auszulösen, die hunderte Tote und tausende Verletzte forderte.
Seit 2019 ist die jihadistische Bewegung in einer Schwächephase, was sich in einer Fragmentierung der Szene in viele kleine Organisationen zeigt. Der IS gründete ab 2014 Regionalorganisationen in verschiedenen Ländern, die untereinander konkurrieren und unter Druck stehen. Es gibt derzeit keine neue große Organisation mit ähnlicher Strahlkraft wie die al-Qaida-Zentrale oder der IS. Die Jihadisten waren 2022 besonders in Afghanistan, Syrien und Afrika aktiv. Die Taliban feierten mit dem Rückzug der USA und ihrer Verbündeten und der Machtübernahme in Kabul einen Sieg, wurden aber vom IS-Ableger "Provinz Khorasan" verfeindet. In Syrien kämpfen die Reste des IS gegen Feinde und in der Provinz Idlib hat die Befreiungsautorität Syriens die Macht übernommen. In Mali und Nachbarstaaten konnte die jihadistische Bewegung trotz Gegenmaßnahmen nicht unter Kontrolle gebracht werden. Die Terrorismusbekämpfung erfolgt zunehmend mit weniger personal- und ressourcenintensiven Kampagnen mit Drohnen und Spezialkräften, und es ist unklar, ob diese Aktivitäten ausreichen werden, um ein erneutes Erstarken einer jihadistischen Organisation zu verhindern.
Pandemien wie SARS, Ebola und vor allem die Coronavirus-Pandemie seit 2020 sind schnell verbreitende Infektionskrankheiten, die weltweit die menschliche Gesundheit und internationale Sicherheit gefährden. Die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, wie ein hoch ansteckendes Virus die Stabilität von Gesellschaften und Staaten beeinträchtigen, globale Ungleichheiten verstärken und erhebliche Risiken für Entwicklung, Frieden und Sicherheit verursachen kann. Internationale Zusammenarbeit ist entscheidend, um Pandemien zu bewältigen, aber es ist schwierig, eine effektive Zusammenarbeit zu erreichen.
Die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, dass Gesundheit eine zentrale wirtschaftliche und soziale Ressource ist und einen großen Einfluss auf den Erfolg und die Stabilität einer Gesellschaft hat. Die weltweiten Lockdowns, Grenzschließungen, Exportstopps und Lieferkettenprobleme aufgrund der Gesundheitsgefahren haben zu massiven ökonomischen Verlusten und Rückschritten bei der Bekämpfung von Armut, Hunger, Krankheiten und globaler Ungleichheit sowie in der Förderung von Bildung und Geschlechtergerechtigkeit geführt. Die globale Rate extremer Armut stieg zum ersten Mal seit über 20 Jahren wieder an, und viele afrikanische Länder erfuhren die stärksten Einbrüche ihrer Bruttoinlandsprodukte seit 25 Jahren. Die Coronavirus-Pandemie hat weltweit existierende Krisen, Ungleichheiten und Fragilität verschärft.
Gesundheitsrisiken wie Infektionskrankheiten und Extremwetterereignisse werden immer häufiger als nicht traditionelle Sicherheitsbedrohungen betrachtet. Das Verständnis von Sicherheit hat sich seit dem Kalten Krieg erweitert, und die Menschliche Sicherheit umfasst sieben Dimensionen, darunter explizit Gesundheit und Nahrungsmittelsicherheit. Gesundheitliche Notfälle wurden auch auf die Agenda des VN-Sicherheitsrats gesetzt, der sich mit den Auswirkungen von HIV/AIDS, Ebola, sexualisierter Gewalt und zuletzt der Coronavirus-Pandemie auf Frieden und Sicherheit beschäftigte.
Sicherheitsakteure und -organisationen wie Verteidigungs- und Innenministerien sowie Streitkräfte von Staaten konzentrieren sich hauptsächlich auf die Gesundheitssicherheit, die sich auf potenziell grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren durch Infektionen konzentriert. Die Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO von 2005 gelten als rechtsverbindliches Instrument für den Gesundheitsschutz im Sinne der Infektionskontrolle. Die IGV legen fest, welche Maßnahmen zur Vorbeugung, Meldung und Eindämmung von Infektionskrankheiten ergriffen werden sollen, und ermöglichen der WHO, im Falle einer gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite eine Notlage auszurufen. Staaten sind verpflichtet, Krankheitsfälle der WHO unverzüglich zu melden und Empfehlungen zum internationalen Reise- und Handelsverkehr auszusprechen. Trotzdem haben Staaten in der Vergangenheit gegen die Vorgaben der IGV verstoßen, indem sie Krankheitsfälle verschwiegen und nationale Maßnahmen ohne internationale Absprache durchsetzten und Grenzschließungen durchführten.
Die Coronavirus-Pandemie hat im Gegensatz zu früheren Infektionskrankheiten wie HIV/AIDS, dem Zikavirus oder dem Ebolavirus, aufgrund ihrer globalen Ausbreitung und ihrer Auswirkungen auf Gesellschaften und Staaten, eine internationale Sicherheitskrise ausgelöst. Die Pandemie belastete Gesundheitssysteme weltweit und erforderte zusätzliche Ressourcen jenseits des Gesundheitssektors. Nationale Abschottungspolitik einiger Staaten führte zu Herausforderungen für die internationale Zusammenarbeit. Der Zusammenhang zwischen Sicherheit und Gesundheit wurde während der Pandemie deutlich sichtbar.
Zu Beginn der Pandemie setzten viele Staaten nationale Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus um, anstatt eine internationale Antwort zu finden. Die Einführung von Grenzkontrollen und -schließungen zwischen Staaten zeigte, wie nationale Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen den Vorrang vor internationaler Zusammenarbeit hatten. Reaktionen wie Reisebeschränkungen können dazu führen, dass Krankheitsfälle nicht gemeldet werden, was die schnelle Vorbereitung der Gesundheitssysteme auf Krankheitserreger behindert. Ein Anreizsystem wird diskutiert, das Staaten belohnt, die den Ausbruch von Infektionskrankheiten frühzeitig an die WHO melden. Exportbeschränkungen, wie Deutschland mit medizinischer Schutzausrüstung und Indien mit Impfstoffen, erschwerten den Zugang zu medizinischen Gütern, was vor allem Länder mit niedrigerem Einkommen traf.
Die geopolitischen Spannungen zwischen den USA, Russland und China haben erhebliche Auswirkungen auf die nationalen und internationalen Anstrengungen zur Bewältigung der Coronavirus-Pandemie gehabt. Die damalige US-Administration unter Donald Trump beschuldigte die WHO, Fehler im Management der Pandemie begangen zu haben und kündigte den Austritt aus der WHO an. China nutzte die Pandemie, um seinen internationalen Einfluss und Status zu stärken, indem es andere Länder mit medizinischen Gütern und in China produzierten Impfstoffen unterstützte. Russland vermarktete seinen Impfstoff Sputnik V und behauptete, Bestellungen von vielen Staaten entgegengenommen zu haben. Die USA und europäische Staaten sicherten sich den Großteil der produzierten Impfstoffe und priorisierten den Schutz ihrer eigenen Bevölkerung, was zu einem erschwerten Zugang zu Impfstoffen für Länder mit niedrigeren Einkommen führte.
Die Coronavirus-Pandemie hat Gesundheitsthemen auf die politische Agenda gebracht und eine entscheidende Zusammenarbeit im Gesundheitsschutz eingeleitet. Die Pandemie hat auch gezeigt, wie eng Sicherheits- und Gesundheitspolitik zusammenhängen. Die Welt ist im dritten Jahr der Pandemie und es bleibt fraglich, ob die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Pandemieprävention und -bewältigung besser aufgestellt ist als vor der Pandemie. Expertengremien haben Empfehlungen für eine bessere internationale Handhabe von Pandemien ausgesprochen und neue Initiativen und Instrumente wie ein neuer internationaler Pandemievertrag und die Einrichtung eines Financial Intermediary Fund (FIF) werden debattiert. Jedoch fehlt es an politischer Unterstützung und Zeit, um diese Verträge und Institutionen umzusetzen. Zweieinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie liegen noch keine neuen, effizienten Instrumente zur Pandemieprävention und -bewältigung vor, und das Fenster für die dringende Stärkung der internationalen Pandemieprävention und -bewältigung scheint sich ohne Verbesserung wieder zu schließen.
Die Terroranschläge vom 11. September 2001 veränderten die Sicherheitspolitik der USA grundlegend. Präsident Bush beendete die Phase der Zurückhaltung und führte sein Land auf die Weltbühne zurück. Der Krieg gegen den Terror wurde jedoch umstritten, insbesondere der Irakkrieg. Die enormen Kosten des Krieges und die Wirtschaftskrise von 2008 führten zu einer Erosion des Konsenses für eine interventionistische Außenpolitik. Ende 2013 war die Zustimmung der Bevölkerung zu einer globalen Führungsrolle der USA so niedrig wie nie zuvor seit Umfragebeginn 1964.
Barack Obama, der Nachfolger von George W. Bush, reduzierte die internationalen Einsätze der USA und setzte auf Diplomatie und Vermeidung neuer militärischer Verwicklungen. Obwohl er den Einsatz von US-Streitkräften in Afghanistan erhöhte, wollte er neue militärische Verwicklungen vermeiden. Obama setzte auf diplomatische Lösungen, um den Nuklearkonflikt mit dem Iran zu lösen und griff nicht militärisch in den Bürgerkrieg in Syrien ein, bis der IS große Teile des Landes eroberte. Obamas Reduzierung der Rolle der USA in der Welt entsprach dem Wunsch der Bevölkerung, aber der Rückzug birgt auch Gefahren, da er das Vertrauen der Bündnispartner untergräbt und rivalisierende Kräfte ermutigt, in das entstandene Machtvakuum vorzudringen.
Unter dem Motto "America First" hat Donald Trump während seiner Präsidentschaft eine außenpolitische Strategie verfolgt, die sich durch Isolationismus, Nationalismus und Unilateralismus auszeichnete. Sein Fokus lag auf einer rein geschäftsmäßigen Außenpolitik, die sich auf punktuelle, in erster Linie wirtschaftliche Transaktionen konzentrierte und die Verlässlichkeit, Transparenz und Vertrauen vernachlässigte. Trumps Politik scheiterte in Bezug auf China und Russland, da er Bündnisse ablehnte und sich auf Handelsbilanzen konzentrierte. Seine Politik in Westasien scheiterte ebenfalls, da er keinen klaren Kurs in Syrien und Afghanistan verfolgte und durch seine bedingungslose Unterstützung Israels das Kernproblem des Nahostkonflikts nicht löste. Der Präsident sabotierte die internationale Zusammenarbeit und schwächte die USA gegenüber ihren Rivalen.
Der neue US-Präsident Joe Biden hat eine Abkehr von der Außenpolitik seines Vorgängers versprochen und betont die Bedeutung internationaler Allianzen. Sein zentrales internationales Projekt ist die Einhegung Chinas, dem er alles unterordnet. Biden versucht, alte Koalitionen gegen China wiederzubeleben und neue zu gründen. Außerdem unterstützt er die Ukraine nach der russischen Invasion durch Sanktionen gegen Moskau, finanzielle und humanitäre Hilfen sowie Waffenlieferungen. Ohne die US-amerikanische Führung und Ressourcen wäre eine ge- und entschlossene Antwort des Westens auf die Krise in der Ukraine unmöglich gewesen.
Die USA stehen vor großen Herausforderungen in der Weltpolitik. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine gefährdet die liberale internationale Ordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde. Die langfristige Bedrohung geht jedoch von China aus, das eine eigene Ordnung etablieren möchte, die auf Peking zugeschnitten ist. Die USA müssen ihre globale Führungsrolle wiedererlangen, um dem Zerfall der westlichen Ordnung entgegenzuwirken. Es bleibt jedoch unklar, ob die USA nach dem Angriff auf die Demokratie durch Trump wieder als weltanschaulicher Vorreiter des Westens wahrgenommen werden können. Außerdem müssen sie die EU und Deutschland für die Verteidigung dieser Ordnung gewinnen. Sollte Trump 2024 wiedergewählt werden, wäre dies ein Rückschlag für die USA und die internationale Politik. Europa ist nach wie vor auf das US-Militär angewiesen und ohne Führung aus Washington handlungsunfähig.
Der Aufstieg Chinas zur globalen Großmacht des 21. Jahrhunderts stellt eine der bedeutendsten weltpolitischen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte dar. China ist seit 2010 die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft hinter den USA und setzt sein wirtschaftliches Gewicht immer selbstbewusster bei der Verfolgung politischer Interessen und von Gestaltungsansprüchen im gesamten internationalen System ein. Die Regierung unter Xi Jinping strebt offen nach einer regionalen und globalen Führungsrolle und tritt zunehmend auch militärisch in Territorial- und Ordnungskonflikten in Ost- und Südostasien auf. China verfolgt die Belt and Road Initiative, ein weltweites Programm von Infrastrukturprojekten, über das es seinen Einfluss vergrößern will. Die wachsenden internationalen Ordnungsansprüche Chinas fordern die USA heraus, die ihre globale Vormachtstellung gefährdet sehen und mithilfe ihrer Verbündeten Chinas wachsende Macht eindämmen wollen. Die Rivalität der beiden Großmächte könnte zu einem neuerlichen "systemischen Weltkonflikt" führen und birgt Risiken für die internationale Sicherheit und die Weltwirtschaft.
Die außen- und sicherheitspolitischen Grundlagen der Volksrepublik China beinhalten den Schutz der nationalen Souveränität und territorialen Integrität, eine unabhängige, eigenständige Außenpolitik sowie das Prinzip der Friedlichen Koexistenz. China betont seinen "Friedlichen Entwicklungsweg" und verteidigt seine legitimen Souveränitätsinteressen. In der asiatischen Nachbarregion versucht China durch Investitionen und wirtschaftliche Kooperation eigene Interessen durchzusetzen, übt aber auch Druck auf Nachbarstaaten aus. Beispiele hierfür sind der Anspruch auf das Südchinesische Meer und die Wirtschaftskorridore durch Pakistan und Myanmar. Allerdings bremsen Anti-Chinesische Proteste, die Coronavirus-Pandemie, Finanzierungsprobleme sowie weltwirtschaftliche und handelstechnische Verwerfungen die chinesischen Ambitionen.
China hat eigene Foren regionaler und internationaler Diplomatie und Kooperation geschaffen, wie das Boao-Forum und die Shanghai Cooperation Organization. China sieht die internationale Politik in einer multipolaren Weltordnung und beansprucht eine Art von globaler zivilisatorischer Führungsrolle. Die chinesische Regierung versucht, ihren Einfluss in internationalen Organisationen auszubauen und Infrastrukturinvestitionen im Globalen Süden zu tätigen, um alternative Einflussmöglichkeiten gegen westliche Standards und Normen zu generieren. China versucht, die asiatische Region nach eigenen Vorstellungen zu prägen und eigene Interessen durchzusetzen. Auf globaler Ebene unterstützt China VN-Missionen zur Friedenssicherung und -konsolidierung, lehnt aber unilaterale Interventionen ab.
Die Belt and Road Initiative (BRI) ist ein Teil von Chinas Bestrebungen, globalen Einfluss zu erlangen, indem Infrastruktur-, Energie- und Kommunikationsprojekte in Asien und anderen Regionen gefördert werden. Die BRI soll auch Chinas politischen und wirtschaftlichen Einfluss stärken und die Rohstoffversorgung sichern. China hat auch ein Gesetz zum Schutz von Investitionen und Förderprojekten in überseeischen Ressourcen erlassen. Die BRI ist mehrdimensional angelegt und umfasst Handelsrouten und Schifffahrtswege, Rohstoffgewinnung, Kommunikationstechnik und Weltraumprogramme. China strebt eine Führungsrolle in Zukunftstechnologien an und hat Programme wie "Made in China 2025" und die "Zwei Kreisläufe" gestartet, um seine Wirtschaft zu stärken. China hat den "Chinesischen Traum" einer starken Nation bis 2049, dem hundertjährigen Bestehen der Volksrepublik China, angekündigt.
Die Volksrepublik China hat angespannte Beziehungen zu einigen Nachbarstaaten und sieht sich durch Bedrohungen wie Nordkoreas Nuklearprogramm, den Staatszerfall in Nachbarländern und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine beeinträchtigt. Es stellt sich die Frage, ob China in der Lage ist, weltweit eigene Interessen durchzusetzen und als globale Führungsmacht zu agieren. Die Wahrnehmung chinesischer Außen- und Sicherheitspolitik hängt von der Perspektive ab, während China von den USA behindert wird, betrachtet Washington China als größte strategische Herausforderung und potenziell feindliche Hochtechnologiemacht. Die Europäische Union sieht China weniger als Partner, sondern als wirtschaftlichen Wettbewerber und systemischen Rivalen.
China entwickelt sich zu einer politischen und militärischen Supermacht mit Präsenzambitionen im Weltraum und in Richtung der Pole. Die Volksbefreiungsarmee wird von der Volkskriegstradition hin zu einem hochspezialisierten modernen Militär entwickelt. China stellt auch eigene Flugzeugträger und moderne U-Boote, Fregatten und Zerstörer her. Präsident Xi Jinping hat seinem Land die Erfüllung des "Chinesischen Traumes einer starken Nation" mit einem starken Militär in Aussicht gestellt. China vermittelt ein ambivalentes Bild, da es militärisch aktiv ist, indem es Inseln im Südchinesischen Meer aufschüttet und militärische Einrichtungen ausbaut, während es gleichzeitig versucht, eine friedliche und kooperative Außenpolitik durch die Entsendung von Einheiten in VN-Friedensmissionen zu präsentieren.
China und Taiwan beanspruchen beide das Südchinesische Meer als Teil ihres Hoheitsgebiets, obwohl es auch von anderen Anrainerstaaten beansprucht wird. China hat durch den Bau von Inseln mit Militäranlagen, Landebahnen und Tiefseehäfen die Spannungen in der Region erhöht. Das Gebiet ist ein wichtiger strategischer Flaschenhals, durch den ein Drittel der weltweiten Frachtschifffahrt und Rohöltransporte verläuft. China hat entlang der Seeverkehrswege militärische Installationen errichtet, um seine strategischen Interessen zu schützen. Obwohl China keine militärische Konfrontation will und seine Gebietsansprüche nicht aufgeben wird, sind unvorhersehbare Eskalationen nicht ausgeschlossen.
China betrachtet die Situation um Taiwan als "innere Angelegenheit", aber es handelt sich um einen potenziell weitreichenden Konflikt mit Auswirkungen auf die internationale Politik und Wirtschaft. Taiwan beanspruchte lange Zeit die alleinige Vertretung ganz Chinas, die sich unter anderem bis 1971 in der Mitgliedschaft in den VN und einem Ständigen Sitz im Sicherheitsrat darstellte. China hat die faktische Eigenstaatlichkeit der Republik China nie anerkannt und drängt auf eine Wiedervereinigung mit dem Ansatz "Ein Land - Zwei Systeme" und droht mit der Rückeroberung auf der Grundlage eines "Anti-Sezessionsgesetzes" von 2005. Die USA tragen durch Waffenlieferungen und Beistandszusagen maßgeblich zur Abschreckung Chinas bei, aber ein militärischer Konflikt zwischen den beiden Seiten ist nicht ausgeschlossen.
China hat in der jüngeren Außenpolitik eine engere Beziehung zu Russland aufgebaut, aber es besteht keine unverbrüchliche Schicksalsgemeinschaft zwischen den beiden Ländern. Chinas Hauptinteresse bleibt die eigene soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Der russische Krieg gegen die Ukraine kann China in dieser Hinsicht nur schaden. Die unterstützenden Äußerungen der chinesischen Führung zum russischen Handeln stehen im Widerspruch zu den Grundprinzipien der chinesischen Außenpolitik und beschädigen Chinas Selbstbild einer verantwortungsvollen Großmacht. China wird sich überlegen müssen, mit welchen Partnern es seine Interessen am besten verfolgen kann.
Der Übergang zu einer neuen multipolaren Ordnung erfordert die Verhandlung eines gemeinsamen Regelwerks zwischen den Akteuren des internationalen Systems, um die Gefahr von Kriegen und einer weiteren Fragmentierung der Internationalen Beziehungen zu reduzieren. Eine kooperative Rivalität könnte dabei helfen, Zugänge zueinander zu bewahren und auch kontroverse Themen zu thematisieren. Die USA und ihre Verbündeten könnten China eine neue Verhandlungsbasis hinsichtlich gemeinsamer Interessen bieten, ohne unbedingt eine globale Wertegemeinschaft schaffen zu müssen. Eine solche Ordnung wird nicht gegen China, sondern mit China erreicht werden müssen. Die Führung in Peking sollte dabei hinsichtlich ihres eigenen Anspruchs, Verantwortung für eine bessere Welt tragen zu wollen, beim Wort genommen werden.
Die russische Sicherheitspolitik zeigt eine Militarisierung und ein Streben nach Wiedererlangung des Großmachtstatus, was sich auch in der Konfrontation mit dem Westen und dem erneuten Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 widerspiegelt. Dies führt zu einem grundlegenden Konflikt um die normative und institutionelle Ordnung im postsowjetischen Raum, in Europa und auf globaler Ebene. Die ökonomische Rationalität spielt dabei kaum noch eine Rolle.
Russland sieht sich selbst als Großmacht und beansprucht eine eigene Einflusssphäre im postsowjetischen Raum. Auf globaler Ebene strebt Moskau nach einer multipolaren Weltordnung, in der es als gleichberechtigter Pol agieren kann. Dabei setzt Russland auf den VN-Sicherheitsrat, die eigene Militärmacht und internationale Foren, an denen westliche Staaten nicht oder nur schwach beteiligt sind. Obwohl Russland sich gerne als Verteidiger des internationalen Rechts präsentiert, ist sein Verhältnis dazu nicht normativ, sondern primär instrumentell. In dem von ihm als Einflusszone beanspruchten postsowjetischen Raum bricht es Normen wie das Nichteinmischungsgebot oder die Achtung territorialer Integrität und nimmt sich das Recht unilateraler Gewaltanwendung ohne VN-Mandat heraus.
Russlands außenpolitischer Instrumentenkasten wurde seit den 2010er-Jahren kontinuierlich erweitert, vor allem in den Bereichen militärische hard power und sharp power sowie teilweise soft power. Durch die Militärreform seit dem Georgienkrieg 2008 konnte ein Trend zur Militarisierung der Außenpolitik beobachtet werden, der im offenen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 gipfelte. Trotzdem zeigte der Krieg strukturelle Schwächen des Reformprojekts auf. Infolge der Schwächung des Militärpotenzials gewinnt die sharp power, wie Destabilisierung des politischen und gesellschaftlichen Systems oder Desinformation, an Bedeutung. Im Gegensatz dazu wirkt die soft power, die durch Attraktivität und Überzeugungskraft wirkt, weniger stark. Im Bereich der internationalen Wirtschaftspolitik ist Russlands Instrumentarium am schwächsten aufgestellt, was sich unter anderem in der Verwendung von Energie als Druckmittel zeigt. Mit den westlichen Sanktionen und der erwarteten Entflechtung von Europa wird dieses Potenzial aber sinken.
Die USA bleiben für Russland der wichtigste Bezugspunkt in der Außen- und Sicherheitspolitik. Die bilateralen Beziehungen durchliefen seit dem Ende des Kalten Krieges verschiedene Phasen der Annäherung und Entfremdung. Die letzte Versöhnungsinitiative unter Präsident Obama im Jahr 2011 scheiterte. Der Versuch, mit Präsident Trump eine pragmatische Partnerschaft aufzubauen, scheiterte ebenfalls. Die Trump-Regierung kündigte stattdessen wichtige Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge mit Russland. Seit Joe Bidens Amtsantritt als US-Präsident hat sich der Konflikt zwischen den beiden Ländern verschärft, insbesondere durch Russlands erneuten Angriff auf die Ukraine und Bidens Engagement für die Stärkung von Demokratien weltweit.
Das Verhältnis zwischen Russland und der NATO hat sich von einer Vision einer Partnerschaft hin zu einer offenen Gegnerschaft entwickelt. Beide Seiten hatten seit 1991 in verschiedenen Formaten zusammengearbeitet, aber nach der illegalen Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 wurde die Kooperation ausgesetzt. Nach dem erneuten Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 wird Moskau im neuen Strategischen Konzept der Allianz vom Juni 2022 auch ganz offen als "Gegner" eingestuft. Im Kern geht es um unvereinbare Vorstellungen zur normativen und institutionellen Ausgestaltung der europäischen Sicherheitsordnung. Moskau fordert eine neue Sicherheitsarchitektur, die Russland ein formales Mitspracherecht bei allen Sicherheitsfragen des Kontinents und damit auch indirekt ein Vetorecht gegenüber zentralen Entscheidungen der NATO einräumt. Russland zielt auf die Sicherung einer direkten Einflusszone (postsowjetischer Raum) und die Etablierung einer militärischen Pufferzone (östliches NATO-Gebiet) ab.
Im ehemals sowjetischen Raum prallen westliche und russische Ordnungsvorstellungen aufeinander. Moskau beansprucht diesen Raum als eigene Einflusssphäre und hat politische, ökonomische und militärische Integrationsinstrumente etabliert, um diesen Anspruch durchzusetzen. Trotzdem ist es Moskau nicht gelungen, die Transformation des postsowjetischen Raums zu verhindern, und es besteht Misstrauen gegenüber Russlands hegemonialen Ambitionen. Viele Länder versuchen, ihre Diversifizierungsstrategie zu verstärken und Abhängigkeiten von Russland durch verstärkte Kooperationen mit anderen Ländern auszugleichen.
Zwischen Russland und China gibt es eine zunehmende strategische Partnerschaft, die auch militärische Zusammenarbeit beinhaltet, aber keine Allianz ist. Beide Seiten unterstützen sich gegenseitig in internationalen Organisationen und lehnen westliche Ordnungspolitik ab. Allerdings teilen sie keine gemeinsame Vision, da Russlands Streben nach einer multipolaren Weltordnung nicht mit Chinas weitergehenden Ambitionen des "chinesischen Traums" übereinstimmt. Die Machtasymmetrie zwischen Russland und China stellt eine wachsende Herausforderung für Russlands Interessenpolitik dar. Pekings Belt and Road Initiative und Selbstdefinition als "polar-nahes Land" unterminieren den russischen Hegemonialanspruch im postsowjetischen Raum, was möglicherweise zu einer Juniorpartnerschaft mit China führen könnte.
Die revisionistische Politik Russlands stellt eine Bedrohung für die regelbasierte internationale Ordnung dar, nicht nur in militärischer Hinsicht, sondern auch durch Versuche, Spannungen innerhalb des politischen und gesellschaftlichen Systems des Westens zu schüren. Putin hat eine nationale Identität und eine geschichtliche Mission zum Handeln der russischen Führung gemacht, wobei ökonomische Rationalität eine untergeordnete Rolle spielt. Der Entscheidungszirkel in der russischen Außen- und Sicherheitspolitik ist auf Personen aus Geheimdienst und Militär beschränkt, die ein gemeinsames Weltbild teilen, in dem Russland als belagerte Festung erscheint und die Erhaltung des Regimes mit nationaler Sicherheit gleichgesetzt wird. Es besteht die Möglichkeit, dass Proteste im Inneren Russlands nach außen geleitet werden, um innenpolitische Unzufriedenheit abzulenken, insbesondere durch eine Verschärfung der humanitären Sicherheitslage in Krisenregionen wie Syrien und Mali.
Um die Bedrohung durch Russland zu verringern, muss die westliche Politik die Gefahr einer weiteren militärischen Eskalation reduzieren und neue Instrumente der Rüstungskontrolle entwickeln. Die westliche Politik muss sich auch stärker auf militärische Rückversicherung und Abschreckung konzentrieren und das Potenzial von Russlands sharp power reduzieren, zum Beispiel durch die Reduzierung einseitiger Abhängigkeiten von Russland.
Die Europäische Union (EU) hat mit ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) einen institutionellen Rahmen geschaffen, um in Fragen von Krieg und Frieden eine aktivere Rolle auf der weltpolitischen Bühne zu spielen. In der Praxis hat die EU jedoch Schwierigkeiten, als einheitlicher und durchsetzungsfähiger Akteur aufzutreten, da sie ein Staatenverbund ist und die Mitgliedstaaten oft unterschiedliche Interessen verfolgen. Außerdem fehlen der EU wichtige Instrumente, um eine gemeinsame Sicherheitspolitik zu entwickeln, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung von Fähigkeiten und die gemeinsame strategische Sichtweise. Die EU muss ihr sicherheitspolitisches Profil schärfen, wenn sie eine Aussicht haben möchte, die Regeln und Werte der globalen Politik mitzugestalten.
Die Europäische Union hat bis in die 1990er-Jahre hinein nur eine untergeordnete Rolle in der Sicherheitspolitik gespielt. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) als intergouvernementale Säule der EU geschaffen. In den 1990er-Jahren gab es Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Krisen, bei denen die EU auf die USA angewiesen war. Im Jahr 1999 wurde die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) beschlossen, um zivile und militärische Fähigkeiten für Krisenbewältigung zu entwickeln. Der Vertrag von Lissabon schuf die Rechtsgrundlage für GASP und GSVP und führte wichtige Reformen ein, einschließlich der Schaffung des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der Einführung der Beistandsklausel. Die EU-Sicherheitspolitik erfuhr in der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre einen neuen Anstoß, u.a. aufgrund des Austritts des Vereinigten Königreichs und des russischen Einmarschs in die Ukraine. Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) soll der "Verteidigungsunion" dienen und eine enge Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Beschaffung von militärischen Instrumenten ermöglichen.
Die EU-Sicherheitspolitik wird von einem komplexen Netz von Gremien dominiert, die von den Mitgliedstaaten geleitet werden. Der Europäische Rat setzt die Leitlinien, der Rat der Außenminister trifft formale Entscheidungen und das Politische und Sicherheitspolitische Komitee unterstützt die Arbeit des Rates. Der Hohe Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik leitet den Rat und wird vom Europäischen Auswärtigen Dienst unterstützt. Die Kommission hat in der Sicherheitspolitik der EU kein Initiativmonopol und hat begrenzte Möglichkeiten, Entscheidungen zu beeinflussen. Das Europäische Parlament hat formale Einflussmöglichkeiten im Haushaltsbereich, ist aber darauf angewiesen, die öffentliche Meinung zu mobilisieren, um Entscheidungen zu beeinflussen.
Die EU kann als sicherheitspolitischer Akteur nur so aktiv sein, wie es ihre Mitgliedstaaten zulassen. Die EU verfügt über Instrumente wie Stellungnahmen und bi- oder multilaterale Treffen, kann aber auch auf Maßnahmen in anderen Politikfeldern wie Handels- oder Energiepolitik zurückgreifen. Zivile und militärische Operationen können beschlossen werden, aber die EU hat keine eigenen Kräfte und muss stattdessen auf Ressourcen ihrer Mitgliedstaaten zurückgreifen. Es fehlt der EU an Fähigkeiten für anspruchsvolle militärische Einsätze. Eine Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU betont den Aufbau von staatlicher und gesellschaftlicher Resilienz und einen integrierten Ansatz zur Bewältigung von Konflikten, wobei die EU jedoch oft die notwendigen Instrumente fehlen.
Die EU hat seit 2003 mehr als 30 zivile und militärische Operationen durchgeführt, um Konfliktprävention, Stabilisierung und Friedenskonsolidierung zu erreichen. Die meisten Operationen hatten einen zivilen Charakter und fanden in ehemaligen Jugoslawien, Afrika, der östlichen Nachbarschaft der EU, dem Nahen und Mittleren Osten sowie in Asien statt. Die militärischen Einsätze dienen typischerweise der Absicherung von Friedensvereinbarungen, der Friedenskonsolidierung nach Kriegshandlungen oder der Ausbildung militärischen Personals. Die EU hat in mehreren Ländern militärisch und zivil aktiv gehandelt, aber die Bilanz der Operationen ist gemischt, da die Aufgaben anspruchsvoll sind und die Ressourcen beschränkt sein können.
Die EU hat seit den 1990er-Jahren einen vertraglichen und institutionellen Rahmen geschaffen, der es ihr grundsätzlich erlauben würde, sich zu einem machtvollen globalen Akteur zu entwickeln. Im "Strategischen Kompass" formuliert sie sogar das Ziel der "strategischen Autonomie", aber es besteht ein deutliches Missverhältnis zwischen den großen Ambitionen und der geringen Bereitschaft der Mitgliedstaaten, die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die EU bleibt auf politische und militärische Ressourcen angewiesen, die sie (und konkret ihre Mitgliedstaaten) nicht selbst besitzt, besonders bei anspruchsvollen militärischen Einsätzen. Die Gestaltung des transatlantischen Verhältnisses ist eine Schlüsselfrage für die europäische Sicherheitspolitik, und es hat den Mitgliedstaaten in der Vergangenheit am politischen Willen gefehlt, den sicherheitspolitischen Handlungsrahmen der EU aktiver zu nutzen. Es bleibt offen, ob die EU für ihren eigenen militärischen Schutz sorgen kann und welche Instrumente sie dafür nutzen will. Die Diskussion darüber, was ihre Prinzipien bei der Gestaltung der Weltpolitik sind und wie sie sich im Verhältnis zu anderen Akteuren positioniert, hat gerade erst begonnen.
Das Strategische Konzept der NATO, das auf dem Gipfel von Madrid am 29. Juni 2022 verabschiedet wurde, betont die Bedeutung des Nordatlantischen Bündnisses als zentrales Element der kollektiven Verteidigung Europas. Die NATO zieht radikale Konsequenzen aus dem sich seit längerem abzeichnenden fundamentalen Wandel ihres sicherheitspolitischen Umfeldes und betont die Notwendigkeit, flexibel und anpassungsfähig zu bleiben. Seit über 70 Jahren ist die NATO das älteste und wohl erfolgreichste militärpolitische Bündnis der Welt.
Die NATO hat drei Kernfunktionen: kollektive Verteidigung nach außen, Kooperation und transatlantische Bindung nach innen, sowie ein Mindestmaß an kollektiver Sicherheit in- und außerhalb der Allianzgrenzen. Formal gesehen handelt es sich bei der NATO um ein Solidaritätsversprechen souveräner Nationen für den Fall sicherheitspolitischer Bedrohungen von außen, jedoch ohne militärischen Automatismus. Die Allianz repräsentierte in den ersten vierzig Jahren zwischen ihrer Gründung 1949 und dem Ende des Kalten Krieges 1989 primär eine Institution zur Bewahrung des politischen Status quo in Europa. Die Kriegsvermeidung durch Abschreckung und Dialog war das Ziel, basierend auf der Erkenntnis, dass beide Seiten dazu in der Lage wären, sich unabhängig von der Möglichkeit eines nuklearen Überraschungsschlages gegenseitig und endgültig zu vernichten.
Nach dem Ende des Kalten Krieges hat die NATO ihre Bedeutung für die Sicherheitspolitik ihrer Mitgliedstaaten bewahrt und sich sogar in Mitgliedschaft und Aufgabenvielfalt weiter ausgedehnt. Die transatlantische Kooperation und die kollektive Sicherheit traten stärker in den Vordergrund. Die Präsenz der USA als "external balancer" erleichterte die westliche Integration und half, bilaterale Spannungen abzuschwächen. Die schrittweise Annäherung der neuen souveränen Staaten Mittel- und Osteuropas an EU und NATO war ein Element dieser kooperativen Form der kollektiven Sicherheit. Die NATO konnte dabei ihren Aufgabenkatalog den jeweiligen Sicherheitsbedürfnissen der Zeit anpassen, einschließlich Krisenmanagement, Terrorismusabwehr, Energie- und Ressourcensicherheit, Cyberbedrohungen und dem Aufstieg Chinas als Militärmacht im Indo-Pazifik.
Die transatlantische Kooperation wurde ein wesentliches Element der NATO-Bündnispolitik, um Wege zum Erhalt des Grundkonsenses einer kooperativen Sicherheit in und für Europa zu finden. Die USA spielten eine entscheidende Führungsrolle bei der Zusammenführung der unterschiedlichen Interessen der europäischen Mitglieder. Der längste Einsatz der NATO-Geschichte in Afghanistan von 2003 bis 2021 gilt als herausragendes Beispiel für die politische und militärische Kooperationsfähigkeit der NATO-Mitglieder. Das Krisenmanagement in Afghanistan hatte jedoch zur Modernisierung der westlichen Streitkräfte hin zu leichten und flexiblen Einsatzkräften geführt, was auf Kosten einer weitergehenden Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung ging. Angesichts der Invasion Russlands in der Ukraine muss nun eine Umrüstung der NATO-Streitkräfte erfolgen.
In den 1990er-Jahren drängten osteuropäische Staaten wie Polen und Ungarn auf eine baldige Aufnahme in die NATO und EU, um innerhalb der westlichen liberalen Marktwirtschaft zu sein und maximale äußere Sicherheit für ihre jungen Demokratien zu gewährleisten. Die NATO hat ihre Mitgliedschaft seit 1994 von 19 auf bald 32 Staaten erweitert und sich um eine sicherheitspolitische Kooperation mit Russland bemüht. Obwohl es keine formelle Zusage gab, die Allianzstrukturen nicht nach Osten hin zu erweitern, wurde versucht, einen Interessenausgleich zu schaffen, unter anderem durch Einrichtung eines bilateralen Dialoggremiums und Versuche zur Verbesserung der Beziehungen zu Moskau.
Die Entscheidungsfindung innerhalb der NATO wird vom Nordatlantikrat geleitet. Der NATO-Rat tagt regelmäßig auf verschiedenen Ebenen, von Ständigen Vertretern bis hin zu Staats- und Regierungschefs. Darüber hinaus gibt es viele Ausschüsse, Arbeitsgruppen und militärische Gremien sowie den Internationalen Stab. Die Militärstruktur der NATO besteht aus dem Militärausschuss, dem Internationalen Militärstab und der NATO-Kommandostruktur. Die Kommandostruktur setzt sich aus dem Allied Command Operations in Belgien und dem Allied Command Transformation in den USA zusammen. Die NATO hat nur wenige gemeinsame Militärstrukturen außerhalb dieser Kommandostruktur, da die eigentlichen militärischen Kräfte eine nationale Angelegenheit bleiben.
Der Washingtoner Vertrag besagt, dass die Mitglieder der NATO einander im Falle eines Angriffs Hilfe leisten und in Fragen der gemeinsamen Sicherheit zusammenarbeiten müssen. Allerdings bleibt jedes Mitglied frei und souverän in seiner Entscheidungsfindung und Umsetzung von gemeinsamen Entscheidungen. Der Erfolg der NATO beruht auf dem Vertrauen der Mitglieder in eine zuverlässige militärische Abschreckung und der institutionellen Flexibilität, um auf sich wandelnde Herausforderungen zu reagieren. Die dominante Position der USA wird auch als wichtiges Element der Stärke der NATO betrachtet.
Die NATO hat sich seit den 1990er-Jahren zu einem Instrument des Krisenmanagements entwickelt, das sich auf OSZE- und VN-Mandate und den Kampf gegen den Terrorismus konzentriert. Infolge von US-amerikanischen innenpolitischen Entwicklungen und dem Aufstieg Chinas signalisierten die USA ab 2010, sich stärker im asiatischen Raum engagieren zu wollen, was sich auf die Abhängigkeit der europäischen Verbündeten insbesondere von US-amerikanischen Fähigkeiten auswirkte. Die Ereignisse des Kaukasus-Krieges 2008 führten eher zu einer symbolischen Rückbesinnung auf die Kernfunktion der Allianz im Sinne kollektiver Verteidigung. Die Annexion der Krim und die russische Aggression in der Ostukraine im Jahr 2014 lösten moderate Anpassungen in der Verteidigungsplanung der NATO aus, aber die Tendenz zu "hohlen Strukturen" anstelle von kampfkräftigen europäischen Verbänden blieb bestehen.
Die NATO hat sich seit den 1990er-Jahren zu einem zentralen militärischen Instrument des politisch gewünschten Stabilitätstransfers entwickelt. Die Ereignisse des Kaukasus-Krieges im August 2008 führten zu einer begrenzten Rückbesinnung auf die Kernfunktion der Allianz im Sinne kollektiver Verteidigung. Erst die Invasion russischer Streitkräfte in die Ukraine im Jahr 2022 führte zur Neupositionierung der Allianz und zur größten Anpassung ihrer Streitkräftestrukturen seit dem Ende des Kalten Krieges. Die NATO-Response Force soll schnellstmöglich in eine schlagkräftige Truppe von circa 300.000 Soldaten umgewandelt werden. Der NATO-Gipfel in Madrid 2022 hat auch wichtige Signale in Richtung geografischer Neuausrichtung gesendet, indem Partnerstaaten aus dem pazifischen Raum eingeladen wurden. Die NATO hat damit ihre Anpassungsfähigkeit und Relevanz für die Sicherheit ihrer Mitgliedstaaten bewiesen.
Die Vereinten Nationen sind die einzige internationale Organisation mit 193 Mitgliedstaaten und der zentralen Aufgabe, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu bewahren. Es gibt jedoch Diskussionen über die sicherheitspolitische Rolle der Weltorganisation und ihre Grenzen, insbesondere angesichts der tiefen Machtrivalitäten, die im jüngsten Angriff Russlands auf die Ukraine sichtbar wurden. Die Vorstellungen darüber, wie die VN agieren sollten, sind unterschiedlich und die Sicherheitspolitik der Organisation wurde durch den Ost-West-Konflikt und viele bewaffnete Konflikte herausgefordert. Der chronische Konflikt im Sicherheitsrat hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit der Weltorganisation.
Die VN haben die Aufgabe, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu bewahren oder wiederherzustellen. Neben dem klassischen Verständnis von Sicherheit, das sich auf die Bewahrung der staatlichen Souveränität konzentriert, umfasst die erweiterte Sicherheit auch staatliche Wohlfahrt, Menschenrechte, politische Stabilität sowie globale ökologische und Nahrungsmittel-Sicherheit. Die VN setzen sich für "menschliche Sicherheit" ein, die den Schutz des Individuums betont. Hierbei kommt das Konzept der "Schutzverantwortung" zum Einsatz, das die VN zur militärischen Intervention befugt, um die Zivilbevölkerung in Konflikten zu schützen. Allerdings sind die VN auf die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten angewiesen, insbesondere im VN-Sicherheitsrat, der die Hauptverantwortung für den Frieden trägt.
Der Sicherheitsrat ist das mächtigste Organ der Vereinten Nationen, da er als einzige Institution rechtlich bindende Entscheidungen für die Staaten treffen kann. Er kann nicht militärische und militärische Maßnahmen beschließen, um Konflikte zu verhindern, einzudämmen und zu beenden. Kritik an den VN kommt oft auf, wenn der Sicherheitsrat blockiert, was durch das Vetorecht der fünf permanenten Mitglieder (USA, Großbritannien, Russland, China und Frankreich) möglich ist. Es gibt Diskussionen über eine Reform des Sicherheitsrates, da seine Zusammensetzung die Machtverhältnisse in der gegenwärtigen Weltordnung nicht mehr widerspiegelt.
VN-Friedensmissionen sind zivil-militärische Einsätze, die vom VN-Sicherheitsrat mandatiert werden und darauf abzielen, einen entstehenden Frieden in einem Konfliktgebiet zu sichern und beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Staaten stellen Truppen, Polizei und zivile Kräfte für diese Missionen zur Verfügung. Die VN-Friedensmissionen müssen die Bedingungen eines stabilen Waffenstillstands, der Zustimmung der Konfliktparteien, der Wahrnehmung der VN und ihrer Friedensmission als unparteiisch sowie die Beschränkung der Waffengewalt auf Selbstverteidigung erfüllen. VN-Friedensmissionen sind oft "robust", da VN-Soldaten in der Regel auch zum Schutz der Zivilbevölkerung und des Mandats Waffengewalt einsetzen. VN-Friedensmissionen sind in Ländern wie dem Sudan, Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo und Mali im Einsatz und haben oft ein umfassendes Aufgabenspektrum, das von klassischen Blauhelm-Aufgaben bis hin zur Mitgestaltung des gesellschaftlichen und politischen Wiederaufbaus reicht.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigt die Grenzen des Krisenmanagements der VN auf, da ein ständiges Mitglied im Sicherheitsrat durch sein Veto alle gegen seinen Willen gerichteten Entscheidungen blockieren kann. Die Generalversammlung kann jedoch im Falle der Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrats über Fragen von Sicherheit befinden und verfügt über moralische Macht. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag und der Internationale Strafgerichtshof untersuchen die Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg. Dennoch spiegelt das Abstimmungsergebnis der Generalversammlung die Spaltung der Welt wider und verdeutlicht, dass die VN weiterhin in der Verantwortung steht, internationale Sicherheit auch in Zeiten tiefer Machtrivalitäten zu gestalten.
Als Wirtschaftsmacht ist Deutschland an multilateralen Kooperationsformaten auf europäischer und globaler Ebene interessiert. Man hat lange Zeit von einer internationalen Ordnung profitiert, ohne viel dazu beitragen zu müssen. Die Globalisierung hat ein System hervorgebracht, in dem die Akteure in gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnissen stehen, die Kooperation mit wachsendem Nutzen belohnen und deren Aussetzung mit Nachteilen bestraft. Konflikte konnten durch Regeln, Institutionen, Interessenausgleich und Kompromisse verhindert oder beigelegt werden, wobei militärische Maßnahmen skeptisch bis ablehnend betrachtet wurden. Deutschland konnte sich so als Zivilmacht mit begrenzten machtpolitischen Ambitionen erfolgreich in der Spitzengruppe der großen Volkswirtschaften etablieren.
Die Globalisierung brachte für Deutschland viele Vorteile durch internationale Kooperation und gegenseitige Abhängigkeit, aber sie führte auch zu einer Verdrängung der Machtambitionen anderer Staaten wie China oder Russland. Die Coronavirus-Pandemie und der russische Überfall auf die Ukraine haben gezeigt, dass Deutschland und Europa stark von ihren Partnern abhängig sind und dass eine enge transatlantische Partnerschaft notwendig ist. Bundeskanzler Olaf Scholz spricht von einer "Zeitenwende" und verspricht erhebliche Steigerungen in den Verteidigungsanstrengungen Deutschlands. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muss sich anpassen, um in einer Weltordnung zu bestehen, die nicht mehr nur den lange für Deutschland günstigen Regeln folgt.
Es werden drei Herausforderungen und Interessen vorgestellt, die sich auf Deutschland und seine Außen- und Sicherheitspolitik auswirken: die Bewahrung der Sicherheit und Handlungsfähigkeit des Landes, die Selbstbehauptung Deutschlands als Teil eines demokratischen Europas in einer sich herausbildenden Weltordnung und die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung einer multilateralen internationalen Ordnung. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, sind deutliche Anpassungen der strategischen Kultur Deutschlands erforderlich, insbesondere in Bezug auf die traditionelle Zurückhaltung in machtpolitischen und militärischen Fragen. Deutschland hat hohe Erwartungen in EU und NATO hinsichtlich einer neuen sicherheits- und verteidigungspolitischen Rolle geweckt und muss nun liefern, um seine Verlässlichkeit und Reputation nicht zu gefährden.
Die internationale Sicherheitspolitik sieht sich mit Bedrohungen und Risiken konfrontiert, die sich immer mehr überlagern und schwerer abzuschätzen sind. Deshalb ist es wichtig, die Aufrechterhaltung der staatlichen Handlungsfähigkeit, Früherkennung, Prävention, Schadensmanagement und Anpassungsfähigkeit als Teil der Realität einer komplexen Welt anzuerkennen. Hierfür hat sich der Begriff der Resilienz etabliert, der ein Konzept gesamtstaatlicher und -gesellschaftlicher Sicherheitsvorsorge umfasst. Resilienzbildung ist zunächst eine innerstaatliche Aufgabe, deren Bezug zur auswärtigen Politik jedoch offenkundig ist, z.B. bei der Reduzierung strategischer Abhängigkeiten von anderen Staaten.
Die NATO hat sich im Umgang mit der russischen Aggression in der Ukraine als wichtiger Sicherheitsanker für Deutschland und Europa erwiesen. Eine enge Beziehung zu den USA bleibt für die deutsche Sicherheitspolitik von großer Bedeutung. Deutschland und Europa müssen jedoch ihre eigene Handlungsfähigkeit als ernstzunehmende Macht auf der weltpolitischen Bühne weiterentwickeln, entweder zusammen mit den USA oder auch eigenständiger. In Bezug auf Sicherheitspolitik bedeutet dies, dass politisch-diplomatische Ansätze immer noch vorrangig sein werden, aber militärische Maßnahmen an Bedeutung gewinnen werden. Der rasche Wiederaufbau der Bundeswehr wäre ein wichtiger Beitrag zur Selbstbehauptung Europas. Eine Vergemeinschaftung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU ist der Kern der Stärkung der europäischen Handlungsfähigkeit. Der "Vertrag von Aachen" von 2020 präsentiert Deutschland und Frankreich als Vorreiter einer vertieften Zusammenarbeit, während es eine zentrale Herausforderung für Deutschland ist, andere EU-Mitglieder durch überzeugende Argumente und ein gutes eigenes Beispiel zu gewinnen, ohne dabei neue Risse zu schaffen.
Deutschland verfolgt das Ziel, multilaterale Kooperation auf regionaler und globaler Ebene aufrechtzuerhalten und weiter zu stärken. Innerhalb der EU und NATO kann Deutschland seinen Beitrag leisten, damit diese Organisationen als effektives Beispiel für Multilateralismus wahrgenommen werden. Dies kann durch solidarische Finanzierungsmechanismen, Aufnahme von Geflüchteten, Verteidigungsaufgaben und Unterstützung angegriffener Partner wie der Ukraine erfolgen. Auf globaler Ebene sind die Vereinten Nationen von großer Bedeutung. Deutschland muss aber auch im konkreten Handeln zeigen, dass es hinter seiner freundlichen Rhetorik steht, indem es qualifizierte Zivil- und Militärpersonen in VN-Friedensmissionen entsendet oder im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit kooperiert. Obwohl dies Kosten verursacht, sind diese gering im Vergleich zu den Kosten, die entstehen würden, wenn Autokratien die Regeln einer neuen Weltordnung schreiben würden.
In der "Zeitenwende" hat Bundeskanzler Scholz den Aufbau neuer militärischer Fähigkeiten für die gemeinsame Sicherheit im euro-atlantischen Raum versprochen und das "Sondervermögen Bundeswehr" wurde parlamentarisch auf den Weg gebracht. Es wird erwartet, dass Deutschland in Führungsrollen treten und Leistungsbereitschaft zeigen wird. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muss auch transparenter und offener mit der Bevölkerung kommunizieren, um deren Rückhalt zu gewinnen. Die erste Nationale Sicherheitsstrategie Deutschlands, die Anfang 2023 vorliegen wird, kann hierbei helfen und einen klaren Maßstab formulieren, anhand dessen die praktische Politik des Landes beurteilt werden kann. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sollte in kritischen Situationen mit überzeugenden und mit den größeren wie kleineren Partnern abgestimmten Lösungsansätzen auftreten und die Fähigkeit und den Willen zu deren Umsetzung haben.